Was bedeutet es, wenn jemand ständig mit seinem Handy spielt, während er spricht, laut Psychologie?

Du kennst bestimmt diese eine Person: Sie erzählt dir gerade eine Geschichte, aber ihre Finger wandern wie von Zauberhand zum Smartphone und beginnen, darauf herumzutippen oder zu wischen. Während sie redet. Das ist schon ziemlich irritierend, oder? Aber bevor du innerlich die Augen verdrehst und denkst „Was für schlechte Manieren!“, halt kurz inne. Die Psychologie hinter diesem Verhalten ist viel faszinierender und komplexer, als du dir vorstellen kannst.

Willkommen in der Welt des „Phubbing“ – ja, das ist ein echter Begriff

Forscher haben diesem merkwürdigen Verhalten sogar einen Namen gegeben: „Phubbing“. Phubbing ist ein Begriff, der von den Wörtern abstammt „Phone“ und „Snubbing“ (also jemanden vor den Kopf stoßen oder ignorieren). Und nein, das ist keine lustige Internet-Erfindung – das ist echter, wissenschaftlicher Jargon.

Die Universität Basel hat 2022 herausgefunden, dass dieses scheinbar harmlose Herumfummeln am Handy während Gesprächen tatsächlich Beziehungen gefährden kann. Ja, richtig gelesen: Deine Freundschaften und Partnerschaften können darunter leiden, wenn du ständig am Smartphone klebst, während andere mit dir sprechen. Das psychische Wohlbefinden aller Beteiligten nimmt dabei Schäden – sowohl bei dem, der phubbt, als auch bei dem, der gephubbt wird.

Hier wird es richtig interessant: Die meisten Menschen, die während Gesprächen ihr Handy benutzen, haben keine Ahnung, welche negativen Auswirkungen das hat. Sie leben in ihrer eigenen kleinen Smartphone-Blase und merken gar nicht, was um sie herum passiert.

Die erschreckenden Zahlen aus der Realität

Eine Feldstudie der SRH Hochschule Heidelberg brachte Zahlen ans Licht, die dich vielleicht schockieren werden: Ganze 60 Prozent der Menschen nutzen ihr Smartphone auch während Gesprächen. Das bedeutet, mehr als jeder Zweite macht das! Und bevor du jetzt sagst „Ich doch nicht!“ – die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass auch du zu dieser Gruppe gehörst, ohne es zu merken.

Das Verrückte daran? Die Wahrnehmung durch andere ist meist extrem negativ. Menschen empfinden dieses Verhalten als zutiefst unhöflich und respektlos. Die Studie fand sogar heraus, dass solches Verhalten zu Freundschaftsbrüchen führen kann. Eine Freundschaft geht kaputt, weil jemand nicht vom Handy lassen kann.

Was passiert eigentlich in deinem Gehirn, wenn du das machst?

Jetzt wird es richtig spannend aus neurologischer Sicht. Wenn du während eines Gesprächs am Handy herumspielst, versucht dein Gehirn, zwei komplexe Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen. Psychologen nennen das „technologische Interferenz“ – ein Begriff, der so klingt, als würde dein Gehirn wie ein überlasteter Computer abstürzen.

Und genau das passiert auch: Dein mentaler „Arbeitsspeicher“ wird geteilt, die Aufmerksamkeit für dein Gegenüber sinkt dramatisch, und hier kommt der emotionale Hammer – Empathie und emotionale Verbundenheit nehmen messbar ab. Es ist buchstäblich so, als würde eine unsichtbare Wand zwischen dir und der anderen Person entstehen.

Das ist nicht nur ein Gefühl – das ist wissenschaftlich messbar. Forscher haben 2022 im Journal of Experimental Social Psychology gezeigt, dass die Qualität von Gesprächen und das Verbundenheitsgefühl durch Smartphone-Nutzung während sozialer Interaktion direkte negative Effekte erleidet. Das Verbundenheitsgefühl zwischen den Gesprächspartnern nimmt ab, und zwar nicht nur ein bisschen, sondern deutlich spürbar.

Das Smartphone als digitaler Schutzschild

Aber warum machen Menschen das überhaupt? Die Antwort ist überraschend: Das Smartphone fungiert oft als psychologischer Schutzschild. Es ist eine unbewusste Bewältigungsstrategie, die Menschen in verschiedenen sozialen Situationen anwenden.

Die Forschung zeigt, dass Menschen zu ihrem Handy greifen, wenn:

  • Unsicherheit aufkommt: Wenn das Gespräch in eine unangenehme oder unbekannte Richtung geht
  • Überforderung entsteht: Bei zu vielen Informationen oder emotionaler Intensität
  • Langeweile sich breitmacht: Wenn das Thema nicht interessant genug erscheint
  • Kontrollbedürfnis sich meldet: Das Handy vermittelt ein Gefühl der Kontrolle in unvorhersehbaren sozialen Situationen
  • Nervosität auftritt: Die repetitiven Bewegungen können beruhigend wirken, wie ein digitaler Fidget-Spinner

Die gefährliche Macht der unterschätzten Gewohnheit

Hier kommt etwas wirklich Faszinierendes: Menschen, die während Gesprächen ihr Handy nutzen, unterschätzen die negativen Auswirkungen auf ihr Gegenüber systematisch. Sie leben in einer Art Realitätsblase und denken oft: „Ach, das macht doch nichts, ich höre ja trotzdem zu.“

Die Realität sieht komplett anders aus. Die Studien zeigen unmissverständlich: Die Gesprächsqualität leidet erheblich. Menschen fühlen sich nicht gesehen, nicht gehört und letztendlich nicht wertgeschätzt. Es ist, als würde man jemandem während des Sprechens demonstrativ den Rücken zukehren – nur subtiler und mit einem leuchtenden Bildschirm.

Die Basler Forscher entdeckten noch etwas Beunruhigendes: Wenn Smartphone-Nutzung während Gesprächen in einer Gruppe akzeptiert wird, verstärkt sich das Verhalten. Es entsteht ein Teufelskreis – je normaler es wird, desto häufiger passiert es, und desto schwieriger wird es, wieder davon wegzukommen.

Was das für deine Beziehungen bedeutet

Die psychologischen Auswirkungen gehen weit über den Moment des Gesprächs hinaus. Menschen, die regelmäßig während Unterhaltungen ihr Smartphone nutzen, können ihre Fähigkeit beeinträchtigen, echte emotionale Verbindungen aufzubauen. Sie verpassen subtile nonverbale Signale, emotionale Nuancen und die Chance, wirkliche Intimität in Gesprächen zu entwickeln.

Denk mal an folgende Situation: Jemand erzählt dir von einem richtig miesen Tag, und du scrollst dabei durch Instagram. Selbst wenn du die Worte hörst – die emotionale Ebene der Kommunikation geht komplett flöten. Dein Gegenüber fühlt sich wie Luft behandelt.

Besonders problematisch wird es bei wichtigen Gesprächen. Wenn dein Partner dir etwas Wichtiges mitteilen möchte und du gleichzeitig auf dem Handy herumtippst, sendest du eine klare Botschaft: „Was auch immer auf diesem Bildschirm passiert, ist wichtiger als du.“

Die Generation der geteilten Aufmerksamkeit

Besonders jüngere Menschen sind von diesem Phänomen betroffen. Sie sind in einer Welt aufgewachsen, in der Multitasking als Superkraft gefeiert wird. Aber hier kommt die harte Wahrheit: Echtes Multitasking gibt es nicht. Was wir als Multitasking bezeichnen, ist in Wirklichkeit schnelles Hin- und Herschalten zwischen verschiedenen Aufgaben – und dabei geht jedes Mal etwas verloren.

Das bedeutet nicht, dass diese Menschen schlechtere Freunde oder Partner sind. Sie haben nur eine andere Form der Aufmerksamkeitsverteilung gelernt. Das Problem: Tiefe menschliche Verbindungen brauchen ungeteilte Aufmerksamkeit. Das ist wie beim Sport – du kannst nicht gleichzeitig Marathon laufen und Schach spielen und in beiden Disziplinen Spitzenleistungen erbringen.

Verstehen statt verurteilen – der Schlüssel zum Wandel

Wenn du das nächste Mal jemanden siehst, der während eures Gesprächs am Handy herumspielt, denk daran: Es steckt meist mehr dahinter als schlechte Manieren. Es könnte ein Zeichen für innere Unruhe, Überforderung, soziale Unsicherheit oder einfach eine tief verwurzelte digitale Gewohnheit sein.

Die Forschung zeigt auch etwas Hoffnungsvolles: Menschen ändern ihr Verhalten oft schnell, sobald sie verstehen, welche Auswirkungen es hat. Ein offenes, verständnisvolles Gespräch über dieses Thema kann wahre Wunder wirken. Statt zu schimpfen oder passiv-aggressiv zu werden, kannst du das Thema direkt ansprechen.

Du könntest zum Beispiel sagen: „Hey, mir ist aufgefallen, dass du oft am Handy spielst, wenn wir reden. Ist alles okay? Oder langweile ich dich vielleicht?“ Oft sind Menschen gar nicht bewusst, dass sie das machen.

Der Blick in den Spiegel

Bevor du aber andere Menschen analysierst, solltest du ehrlich sein: Wie oft greifst du selbst zum Smartphone, während jemand anderes spricht? Die Studien zeigen, dass praktisch jeder von uns dieses Verhalten gelegentlich zeigt – und die meisten von uns unterschätzen, wie es auf andere wirkt.

Es ist ein bisschen wie mit dem schlechten Atem – man riecht ihn bei anderen sofort, bei sich selbst nie. Genauso nehmen wir unser eigenes Phubbing-Verhalten oft gar nicht wahr, während wir uns furchtbar über das Verhalten anderer ärgern. Die gute Nachricht? Bewusstsein ist der erste Schritt zur Veränderung.

Sobald du dir bewusst wirst, wann und warum du zum Handy greifst, kannst du anfangen, das zu ändern. Menschen, die während Gesprächen ständig mit ihrem Handy spielen, sind also nicht automatisch unhöflich oder respektlos. Oft stecken komplexe psychologische Mechanismen dahinter: digitale Gewohnheiten, Bewältigungsstrategien für soziale Situationen oder einfach die Unfähigkeit, die eigene Aufmerksamkeit bewusst zu steuern.

Die Wissenschaft zeigt uns: Dieses Verhalten schadet definitiv unseren Beziehungen und der Qualität unserer Gespräche. Aber sie zeigt uns auch, dass Veränderung möglich ist. Es geht nicht darum, das Smartphone zu verteufeln oder Menschen zu verurteilen. Es geht darum, bewusster mit unserer wertvollsten Ressource umzugehen: unserer Aufmerksamkeit.

In einer Welt voller digitaler Ablenkungen ist ungeteilte Aufmerksamkeit vielleicht das kostbarste Geschenk, das wir einander machen können. Und wer weiß – vielleicht führt diese Erkenntnis zu tieferen, bedeutungsvolleren Gesprächen und stärkeren Beziehungen. Das wäre doch mal ein Grund, das Handy häufiger in der Tasche zu lassen.

Was geht dir durch den Kopf, wenn jemand dich beim Reden phubbt?
Respektlos!
Der merkt’s nicht mal
Ich mach das auch manchmal
Ablenkung statt Nähe
Ich sag was dazu

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