Telegram: Die unbequeme Wahrheit über Sicherheit und Datenschutz
Die Messaging-App Telegram genießt bei vielen Nutzern den Ruf eines besonders sicheren und datenschutzfreundlichen Messengers. Doch diese Wahrnehmung entspricht längst nicht mehr der Realität. Experten bewerten die App mittlerweile deutlich kritischer als noch vor einigen Jahren. Was steckt wirklich hinter den Versprechungen von Pavel Durov und seinem Team? Eine ehrliche Bestandsaufnahme zeigt: Die meisten Annahmen über Telegrams Sicherheit sind schlichtweg falsch.
WhatsApp, Signal und andere Konkurrenten haben Telegram in puncto Datenschutz längst überholt. Während andere Messenger standardmäßig auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung setzen, speichert Telegram die meisten Unterhaltungen ungeschützt auf seinen Servern. Diese Tatsache überrascht viele langjährige Nutzer, die der App blind vertrauten.
Der Mythos vom sichersten Messenger der Welt
Das größte Missverständnis rund um Telegram betrifft die Verschlüsselung. Normale Chats sind nicht standardmäßig Ende-zu-Ende verschlüsselt, wie viele Nutzer fälschlicherweise annehmen. Stattdessen landen alle regulären Nachrichten unverschlüsselt auf Telegrams Servern, wo sowohl das Unternehmen selbst als auch potenzielle Angreifer Zugriff darauf haben könnten.
Die beworbene Ende-zu-Ende-Verschlüsselung existiert nur in den sogenannten Secret Chats, die manuell aktiviert werden müssen. Diese Funktion beschränkt sich jedoch ausschließlich auf Unterhaltungen zwischen zwei Personen. Gruppenchats bleiben grundsätzlich unverschlüsselt, was die Sicherheitsfunktion für die meisten Nutzer unpraktikabel macht.
Besonders problematisch: Telegram nutzt ein selbst entwickeltes Verschlüsselungsprotokoll namens MTProto, das von Kryptografie-Experten kritisch beäugt wird. Etablierte Messenger wie Signal setzen hingegen auf bewährte, open-source Protokolle, die von der internationalen Sicherheitsgemeinschaft geprüft wurden.
Was bedeutet Cloud-Speicherung wirklich?
Telegrams Marketingsprache verschleiert geschickt die wahren Verhältnisse. Die App bewirbt ihre Cloud-Speicherung als Vorteil, verschweigt aber die Sicherheitsrisiken. Alle Chats, Medien und geteilten Dateien liegen permanent auf den Servern des Unternehmens. Das ermöglicht zwar die nahtlose Synchronisation zwischen verschiedenen Geräten, bedeutet aber auch, dass sensible Daten außerhalb der eigenen Kontrolle gespeichert werden.
Das Backup-Märchen entlarvt
Ein weiterer verbreiteter Irrtum betrifft die angeblichen Backup-Funktionen. Tatsächlich verfügt Telegram über keine echte Backup-Funktion, wie sie beispielsweise WhatsApp oder Signal anbieten. Was Nutzer oft als Backup interpretieren, ist lediglich die permanente Cloud-Speicherung aller Daten.
Der entscheidende Unterschied: Ein echtes Backup wäre eine geschützte, lokale Kopie der eigenen Chat-Verläufe. Telegrams System speichert hingegen alle Daten dauerhaft online, ohne dass Nutzer echte Kontrolle über diese Informationen haben. Bei einem Serverproblem oder einer Sperrung des Accounts könnten Jahre an Chat-Verläufen unwiederbringlich verloren gehen.
Die Desktop-Version bietet zwar eine Daten-Export-Funktion, diese arbeitet jedoch nicht automatisch und erstellt keine regelmäßigen Sicherheitskopien. Stattdessen handelt es sich um ein manuelles Archivierungstool, das hauptsächlich für einmalige Datenmigrationen gedacht ist.

Saved Messages: Das einzig verlässliche Feature
Immerhin die Saved Messages-Funktion hält, was sie verspricht. Dieser automatisch erstellte Chat mit sich selbst synchronisiert zuverlässig zwischen allen verbundenen Geräten und bietet tatsächlich praktische Vorteile für die tägliche Organisation.
- Dateiaustausch zwischen Geräten: Dokumente, Fotos oder andere Medien lassen sich unkompliziert zwischen Smartphone, Tablet und Computer übertragen
- Notizsammlung: Schnelle Gedanken, Screenshots oder Sprachmemos bleiben geräteübergreifend verfügbar
- Link-Archiv: Interessante Webseiten oder Videos können für später gesammelt werden
- Suchbare Organisation: Mit Hashtags versehene Nachrichten werden über die interne Suchfunktion schnell wiedergefunden
Datenschutz: Mehr Schein als Sein
Telegrams Datenschutzrichtlinien klingen auf den ersten Blick vertrauenserweckend, entpuppen sich bei genauerer Betrachtung jedoch als problematisch. Das Unternehmen sammelt deutlich mehr Nutzerdaten als oft angenommen, kann aber aufgrund der fehlenden Verschlüsselung nicht garantieren, dass diese Informationen sicher verwahrt werden.
Besonders bedenklich: Die komplexe Unternehmensstruktur mit Sitzen in verschiedenen Ländern schafft rechtliche Unsicherheiten. Nutzer können schwer nachvollziehen, welche Datenschutzgesetze gelten und wo ihre Daten tatsächlich gespeichert werden. Die beworbene 256-Bit-AES-Verschlüsselung für gespeicherte Daten lässt sich von außen nicht verifizieren und könnte reine Marketingsprache sein.
Praktische Sicherheitstipps für bewusste Nutzer
Wer Telegram trotz der Sicherheitsbedenken weiterhin nutzen möchte, sollte zumindest diese Grundregeln beachten. Bei wirklich vertraulichen Gesprächen die Secret Chats aktivieren, auch wenn diese nur zwischen zwei Personen funktionieren. Generell nur Informationen über die App teilen, die auch für Dritte einsehbar sein dürfen.
Für kritische Kommunikation eignen sich spezialisierte Messenger wie Signal oder Threema deutlich besser. Diese Apps verschlüsseln alle Nachrichten standardmäßig und sammeln weniger Metadaten über ihre Nutzer.
Synchronisation funktioniert, Sicherheit nicht
Die geräteübergreifende Synchronisation gehört tatsächlich zu Telegrams Stärken. Die sofortige Verfügbarkeit aller Chats auf neuen Geräten übertrifft viele Konkurrenten und macht die App zu einem praktischen Werkzeug für den digitalen Alltag. Allerdings erkauft sich Telegram diese Funktionalität durch massive Kompromisse beim Datenschutz.
Für eine optimale Performance sollten Nutzer sicherstellen, dass Telegram in den Smartphone-Einstellungen von Akku-Optimierungen ausgenommen wird. Andernfalls kann das Betriebssystem die Hintergrund-Synchronisation unterbrechen und zu verzögerten Nachrichten führen.
Realistische Einschätzung statt Marketing-Mythen
Telegram ist ein funktionaler Messenger mit praktischen Features für alltägliche Kommunikation und Organisation. Die App eignet sich durchaus für harmlose Unterhaltungen und als digitales Notizbuch. Die Saved Messages-Funktion und die effiziente Synchronisation bieten echte Vorteile gegenüber vielen Alternativen.
Entscheidend ist jedoch, die App mit realistischen Erwartungen zu nutzen. Wer auf echten Datenschutz und Sicherheit angewiesen ist, sollte zu spezialisierteren Alternativen greifen. Telegram mag für den digitalen Alltag praktisch sein, als sicherer Hafen für vertrauliche Kommunikation taugt die App definitiv nicht.
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